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Leidenschaftlich und historisch informiert

von Christoph Gaiser
Sir John Ellio Gardiner dirigiert ein Orchester

Artist in residence
Sir John Eliot Gardiner

 

Keinesfalls möchte er in die Alte Musik-Ecke gestellt werden, der britische Dirigent Sir John Eliot Gardiner, auch wenn ihm die Musikwelt die Gründung des Monteverdi Choir und der English Baroque Soloists sowie die spektakuläre Wiederaufführung von Jean-Philippe Rameaus Oper Les Boréades im Jahre 1975 verdankt. Und nicht zu vergessen die «Bach Cantata Pilgrimage», für die Gardiner ein ganzes Jahr auf Wanderschaft ging, um alle Kantaten Bachs in insgesamt 90 Konzerten in 15 Ländern aufzuführen. Doch Gardiner hat sich immer als musikalischer Allrounder verstanden, dem geistliche Vokalwerke genauso am Herzen lagen wie Opern und Symphonien. Mit der Gründung des Orchestre Révolutionnaire et Romantique im Jahre 1990 trug er entscheidend zu einer Beschäftigung mit der Musik Hector Berlioz’ und anderer Komponisten des 19. Jahrhunderts auf neuer, historisch informierter Basis bei. Frankreich war dabei für Gardiner, der von 1983 bis 1988 als Chefdirigent am Opernhaus in Lyon wirkte, immer ein wichtiger Bezugspunkt. Er konnte sich für Gabriel Faurés ätherisches Requiem genauso begeistern wie für Georges Bizets glühende Musik zu Carmen, die Gardiner 2009 am Ort ihrer Uraufführung dirigierte, der Salle Favart in Paris. Um einen prominenten Komponisten dieser Zeit hat Gardiner indes stets einen weiten Bogen geschlagen – Richard Wagner. Umso flammender ist sein Einsatz für Wagners Antipoden malgré lui, Johannes Brahms. Dessen Œuvre hat Gardiner nicht zuletzt mit einem rund 30 Konzerte umfassenden Projekt in der Nachfolge der «Pilgrimage» geehrt. In Luxemburg dirigiert Gardiner alle Brahms-Symphonien an zwei Abenden. Vor dem Chorkomponisten Brahms verneigt sich Gardiner mit einem weiteren Programm, das Orchestre Philharmonique du Luxembourg und Monteverdi Choir zusammenbringt und zudem noch die Verbindung der Musikerfreunde Brahms und Antonín Dvořák reflektiert. Auch Bach darf bei der Luxemburger Residenz nicht fehlen. Der Leipziger Thomaskantor, dem Gardiner übrigens ein vielbeachtetes Buch gewidmet hat, hat einst den Antrieb verspürt, einzelne Stücke für das gottesdienstliche Musizieren zu einem neuen Ganzen zusammenzufügen. Auch wenn dieses Werk zu Lebzeiten Bachs möglicherweise nie komplett aufgeführt worden ist, hat es als h-moll-Messe Eingang in das Pantheon der europäischen klassischen Musik gefunden. Und wer könnte berufener dazu sein, diese unvergleichliche Musik aufzuführen als der Monteverdi Choir und die English Baroque Soloists unter der Leitung ihres unermüdlichen, charismatischen Gründers?

 

Titelfoto: Gerd Mothes